Sehr geehrter Herr Prinz,
in Ihrem Kommentar vom 09.05.2025 (https://www.bbv-net.de/bocholt/gruene-halten-sich-aus-bocholter-buergermeisterwahl-raus-warum-die-partei-sich-so-positioniert-w1029820-6000332294/) haben Sie zum Ausdruck gebracht, die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN würden sich durch ihre zurückhaltende Haltung bezüglich einer klaren Empfehlung für einen möglichen Bürgermeisterkandidaten ihrer politischen Verantwortung zur demokratischen Willensbildung entziehen. Diese Meinung steht Ihnen selbstverständlich zu. Da Sie mit Ihrem Kommentar aber auch Meinungsbildung betreiben, möchte ich mit diesem offenen Brief gerne im Namen all derjenigen, die an unserer Entscheidung mitgewirkt haben, zu Ihrer Aussage Stellung nehmen.
Zunächst: Im Rahmen der bevorstehenden Kommunalwahl geht es einerseits um die Wahl der Sitzverteilung der nächsten Stadtverordnetenversammlung, sowie andererseits um die Entscheidung, welcher Kandidat künftig das Amt des Bürgermeisters der Stadt Bocholt übernimmt. Sowohl die Stadtverordnetenversammlung als auch der künftige Bürgermeister werden den Verlauf der nächsten Legislaturperiode maßgeblich beeinflussen, wobei die Entscheidungen über die konkrete politische Richtung in der Stadtverordnetenversammlung durch Mehrheitsbeschlüsse getroffen werden.
Die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird keinen eigenen Bürgermeisterkandidaten aufstellen. Wir werden uns aber im Rahmen der uns vom Wähler zugesprochenen Ratsmandate sowohl innerhalb der Stadtverordnetenversammlung als auch in den Fachausschüssen intensiv mit den Themen unseres Wahlprogramms einbringen. Diese Themen zu benennen, im Wahlkampf dafür zu werben und die Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen, ist Kern der politischen Willensbildung.
Weder auf der kommunalen Eben noch auf der Landes- oder Bundesebene besteht bei Wahlen die Erwartung an Parteien, Kandidaten anderer Parteien zu unterstützen oder klar abzulehnen. Wäre dies der Fall, müsste jede Partei ohne eigenen Kandidaten eine Empfehlung für oder gegen die Kandidaten anderer Parteien aussprechen. Richtig ist vielmehr, dass die Entscheidung für oder gegen Kandidaten beim Souverän – dem mündigen Bürger – liegt. Er ist es, dem allein das Recht zur Wahl von Kandidaten zusteht. Diese Verantwortung kann und sollte ihm niemand nehmen.
Die Mitglieder von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich nach intensiven und ernsthaften Diskussionen mehrheitlich dafür entschieden, aktuell keinen der bisher bekannten Kandidaten aktiv zu unterstützen oder klar abzulehnen. Dies ist kein Ausdruck von Bequemlichkeit, sondern Ergebnis eines basisdemokratischen Prozesses. In solchen Entscheidungsprozesse steckt viel Zeit, Arbeit und Energie. Insofern bedaure ich es sehr, wenn Sie den hieran in ihrer Freizeit mitwirkenden Menschen das Prädikat „Drückeberger“ aufstempeln. Das Gegenteil ist der Fall.
Sowohl Parteibasis als auch die amtierende Ratsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen klar zur getroffenen Entscheidung. Sachthemen stehen für uns im Vordergrund. Wir drücken uns aber nicht vor politischer Verantwortung.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Jansen
Fraktionssprecher BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
im Rat der Stadt Bocholt